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Bismillahi Al-Rahman Al-Raheem

Antwort auf eine Frage
Karsais scheinbarer Zwist mit den USA

Frage:

Seit der Machtübernahme Obamas im Weißen Haus ist zu beobachten, dass sowohl die Erklärungen seitens einiger amerikanischer Regierungsverantwortlicher als auch seitens Karsai selbst auf eine angespannte Beziehung zwischen den USA und Karsai hindeuten. Darüber hinaus ist eine Hinwendung Karsais zu Russland und China in einigen seiner Erklärungen und Standpunkten und ebenso im Bereich der Rüstung zu erkennen. So versucht er offenbar von der Ehrenmitgliedschaft Afghanistans in der Shanghai-Gruppe zu profitieren. Ist nun die Beziehung Karsais zu den Vereinigten Staaten wirklich gespannt? Kann man sagen, dass die USA den Verbleib Karsais im Präsidentenamt nicht mehr wollen und ihm bei den anstehenden Präsidentenwahlen in diesem Jahr entweder eine neuerliche Kandidatur verbieten oder ihn verlieren lassen? Ist es möglich, dass sie ihn sogar liquidieren? Oder sind diese Erklärungen und Standpunkte zwischen beiden Seiten etwa abgesprochen, um Karsais Bild bei den Menschen aufzupolieren, damit er von ihnen neuerlich gewählt wird? Werden die USA einen anderen Agenten wie ihn überhaupt finden können? Wenn das der Fall ist, wer wird es vermutlich sein?


Antwort:

1. Anfangs muss daran erinnert werden, dass die Politik der demokratischen Partei gegenüber Afghanistan sich von jener der Bush-Administration grundlegend unterscheidet, und zwar schon bevor Obama an die Macht gelangte. So war Josef Biden, der jetzige amerikanische Vizepräsident, von allen demokratischen Parteigranden am meisten an Afghanistan interessiert und am kritischsten gegenüber der diesbezüglichen Politik der Bush-Administration.

So erschien in der „New York Times“ eine Nachricht über einen Besuch Josef Bidens und zweier weiterer amerikanischer Kongressmitglieder in Afghanistan im Februar des vergangenen Jahres. Bei diesem Besuch „verhörten“ sie Karsai bezüglich der weit verbreiteten Korruption in seiner Regierung, und zwar während eines offiziellen Abendessens. Karsai wies gegenüber seinen Gästen jegliche Korruptionsvorwürfe zurück, worauf Biden ihm verärgert antwortete: „Das Abendessen ist vorbei!“, sich erhob und vor dem geplanten Ende des Besuchs den Saal verließ.

Dieselbe Zeitung schrieb am 8. 2. 2009: „Die Situation für Karsai und für Afghanistan hat sich verändert. Karsai erkennt, dass er weder von Washington noch von seinem Volk erwünscht ist.“ Die Zeitung fügte hinzu: „Obama meinte über Karsai, dass dieser kein Vertrauen verdiene.“ Ebenso zitierte die Zeitung die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton mit den Worten: „Karsai steht einem Drogenstaat vor.“ Die Zeitung schloss mit der Feststellung: „Die Amerikaner sind besorgt und fürchten eine Niederlage in ihrem Krieg in Afghanistan. Vielleicht beabsichtigen sie, Karsai zu übergehen und direkt mit den Distriktherrschern und Provinzgouverneuren zu verhandeln.“

Somit wird deutlich, dass die jetzige Obama-Administration Afghanistan an die Spitze ihrer außenpolitischen Prioritäten gesetzt hat. Sie strebt eine grundlegende Veränderung in Afghanistan an, insbesondere da Obama während seines Wahlkampfes betonte, dass er diese Veränderung herbeiführen werde. Karsai ist sich dieser Tatsache bewusst. Er weiß auch, dass er als amerikanischer Agent keinen anderen Staat, wie z. B. Russland oder China, zu Hilfe ziehen kann, um seinen Machtsessel zu erhalten. So hat er keinerlei Kontrolle über irgendeine Stadt in Afghanistan, sein Verbleib an der Regierung ist zu Hundert Prozent vom Schutz seiner Person durch die amerikanischen Truppen abhängig.

2. Davon ausgehend kann seine Beziehung zu Russland und China damit erklärt werden, dass die USA diese Beziehung erlauben und sie gutheißen, um die Unterstützung beider Großmächte im Kampf gegen die Taliban zu gewinnen.

Dass Russland Afghanistan als Ehrenmitglied in der Shanghai-Gruppe akzeptierte, bedeutet nicht, dass Karsai unabhängig von den USA agieren kann. Vielmehr weist es darauf hin, dass Russland sogar den amerikanischen Agentenstaaten die Tür zu dieser Organisation öffnet, um von ihrer Flanke her Ruhe zu haben und von ihnen aus nicht angegriffen zu werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Russland nicht auch versucht, in diesen amerikanischen Agentenstaaten Fuß zu fassen und eine Art Einfluss zu gewinnen. Jedoch ist dieses Ziel, was Afghanistan betrifft, zumindest in absehbarer Zukunft fernliegend.

Was die Tatsache anlangt, dass Russland sich einverstanden erklärte, Afghanistan im Bereich der Rüstung zu helfen, und der russische Präsident Medwedew einen entsprechenden Brief an Karsai richtete, mit der Bereitschaft Russlands, Afghanistan im Verteidigungsbereich zu unterstützen, so bedeutet dies, dass die Amerikaner Russland um diese Unterstützung baten. Denn es befinden sich russische Waffen in Händen der afghanischen Armee, die russische Ersatzteile benötigen.

Der Sprecher der Karsai-Regierung, Homayun Hamid Zadeh, betonte dies auch mit den folgenden Worten: „Trotz Karsais Bitte an Russland um Unterstützung im Bereich der Verteidigung, ist Afghanistan seinen Verbindungen gegenüber der NATO und den USA verpflichtet.“ Er fügte hinzu: „Die Ausrüstung unserer nationalen Armee sowie unsere Hubschrauber und Panzer sind russischer Herkunft. Diese Bitte ist also technischer Natur. Mit der NATO und den USA sind wir hingegen strategisch verbunden.“ Hier weist er also darauf hin, dass sich russische Flugzeuge in Afghanistan befinden, die noch aus der Zeit der sowjetischen Invasion stammen.

Daraus erkennt man, dass die Beziehung Karsais zu Russland eine normale Beziehung ist, die nichts mit dem internationalen Machtkampf zu tun hat.

3. Demzufolge kann man sagen, dass Karsais Rolle in Afghanistan zu Ende geht und ihm selbst das bewusst geworden ist. Er weiß, dass sich die Obama-Administration zur Herbeiführung grundlegender Veränderungen in Afghanistan entschieden hat, die auch seine Person betreffen. Seine Einwände gegen die derzeitige amerikanische Politik sind nichts weiter als eine Inszenierung, um sich als richtigen Präsidenten darzustellen.

Mit anderen Worten will die Obama-Administration ihr Glück mit einer anderen Person versuchen, nicht mit Karsai, der schon verbraucht ist und sich für einen Verbleib in diesem Amt nicht mehr eignet.

Was die Person anlangt, die für dieses Amt in Frage käme, so werden die USA versuchen eine Person zu finden, die von der afghanischen Bevölkerung eher akzeptiert wird als Karsai, der für alle erwiesenermaßen nichts weiter ist als eine künstliche amerikanische Marionette ist.

Für die Popularität irgendeines afghanischen Präsidenten ist es allerdings unabdingbar, dass er zur paschtunischen Volksgruppe gehört, da sie die Mehrheit der Afghanen bildet. Deswegen sehen die USA von wichtigen und populären Persönlichkeiten ab, die zur usbekischen, tadschikischen oder hazarischen Minderheit gehören, wie Yunus Qanuni, Qiyam Fahim, der ehemalige Stellvertreter Ahmed Schah Masuds, welcher vor einigen Jahren einem Anschlag zum Opfer fiel, oder Ismail Khan, dem Gouverneur von Herat. Zu diesem Personenkreis gehören auch Rashid Dostum, Burhan ad-Din Rabbani oder irgendeine andere Person, welche zur Nordallianz gezählt wird. Diese kollaborierte ja mit den USA während der Invasion 2001, um die Taliban-Herrschaft zu beseitigen.

Gemäß den Gegebenheiten bis zum heutigen Tage scheint aus amerikanischer Sicht Ali Ahmad Dschalali, der frühere Innenminister, der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge Karsais bei den im August oder September stattfindenden Wahlen zu sein. Und zwar deswegen, weil er erstens Paschtune und zweitens ein Mann aus dem Sicherheitssektor ist. Genau das ist aus amerikanischer Sicht erforderlich. Was die Namen anderer paschtunischen Kandidaten anlangt, so glauben wir nicht, dass sie ähnliche Qualitäten vorweisen können.

Nichtsdestotrotz verändern sich die politischen Gegebenheiten schnell. Es ist zu erwarten, dass die USA, wenn sie nicht die passende Person für Karsais Nachfolge finden, die Wahlen verschieben werden und Karsai im Amt belassen, bis sie den entsprechend qualifizierten Agenten finden. Der Verbleib Karsais ist demnach nur eine Frage der Zeit. Ihn jedoch loszuwerden, indem die USA ihn umbringen lassen, ist abwegig, weil er für sie eher ein treuer Angestellter als ein Agent ist.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die scheinbare Meinungsverschiedenheit zwischen Karsai und der Obama-Administration nichts weiter als ein inszeniertes Theater ist, um den Eindruck zu vermitteln, dass es sich beim afghanischen Präsidentenamt um einen echten und unabhängigen Posten und nicht bloß um eine Marionette handelt. Demzufolge fällt dieser Zwist in den Rahmen des von amerikanischer Seite her erlaubten Manövrierens.

Abschließend sei Folgendes gesagt: Die jetzige Obama-Administration möchte in Afghanistan einen neuen Weg einschlagen, der sich von dem erwiesenermaßen gescheiterten Weg der Bush-Administration unterscheidet. Dieser neue Weg macht es aber erforderlich, verbrauchte Gesichter wie das Karsais durch ein anderes zu ersetzen. Die USA verbinden damit die Hoffnung, die prekäre Lage in Afghanistan zu verbessern und somit den Sicherheitsdruck auf die amerikanischen Streitkräfte und ihre Verbündeten zu reduzieren.

16. Safar 1430 n. H.

   
10.02.2009
   



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