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Bismillahi Al-Rahman Al-Raheem

Antwort auf eine Frage

Die Krise um Nordkorea

Frage:

Am 25. 5. 2009 gab Nordkorea bekannt, dass es einen Atomversuch erfolgreich durchgeführt habe. Bereits zuvor, am 8. 5. 2009, hatte es mit der Aufstockung seines Atomwaffenpotentials gedroht und der Obama-Administration vorgeworfen, die feindlichen Handlungen ihm gegenüber fortzusetzen. Ebenso lehnte Nordkorea eine Rückkehr zu den Sechser-Gesprächen ab. Und am 27. 5. 2009 - als Antwort auf die Teilnahme Südkoreas an der amerikanischen Sicherheitsinitiative zur Vermeidung der Ausbreitung von Atomwaffen - erklärte die nordkoreanische Führung, dass sie an den mit den USA unterzeichneten Waffenstillstandsvertrag nicht mehr gebunden sei. (Al-Jazeera, am 31. 5. 2009)
Wie stellt sich nun die internationale Lage im Hinblick auf diese Ereignisse wirklich dar? Steuern die Dinge auf eine Eskalation zu, die bis zum Krieg führen kann, oder ist ein Krieg abwegig? Wird man an den Verhandlungstisch zurückkehren?


Antwort:

Es stimmt, die Situation hat deutlich an Spannung zugenommen, insbesondere nachdem Nordkorea erklärte, sich nicht mehr an den Waffenstillstandsvertrag halten zu wollen, den es am 27. 7. 1953 mit den USA unterzeichnet hat. Im Zuge dieses Vertrages wurde der am 25. 6. 1950 ausgebrochene Koreakrieg beendet, ohne dass ein Friedensabkommen zwischen beiden Seiten unterzeichnet worden wäre. Die Spannung ist deutlich erkennbar geworden, nachdem Nordkorea im Oktober 2006 seinen ersten Atomwaffentest durchführte. Sie nahm noch zu, als es im vergangenen Monat einen Test mit einer ballistischen Rakete unternahm, was bedeutet, dass Nordkorea nun in der Lage ist seine Atombombe mit einer Langstreckenrakete zu befördern und nicht mehr auf den Transport mit einem Flugzeug, das leicht abgefangen und am Erreichen seines Zieles gehindert werden kann, angewiesen ist. Vor einigen Tagen, am 25. 5. 2009, nahm die Spannung noch weiter zu, als Nordkorea die Durchführung eines weiteren erfolgreichen Atomtests bekanntgab.

Zur internationalen Lage:

1. Es kam zu internationalen Reaktionen, die eine UN-Sicherheitsratsresolution mit Strafsanktionen gegen Nordkorea forderten, worauf Nordkorea mit weiteren Maßnahmen drohte. So zitierte die offizielle nordkoreanische Nachrichtenagentur am 25. 5. 2009 den Außenamtssprecher Nordkoreas mit den Worten: „Wenn der Sicherheitsrat neue Provokationen setzt, wird uns nichts anderes übrig bleiben als weitere Maßnahmen zu unserer Verteidigung zu ergreifen.“

2. Die Reaktion der Vereinigten Staaten erging durch den amerikanischen Präsident Barak Obama, der erklärte: „Beide nordkoreanischen Programme, das Atom- sowie das Raketenprogramm, stellen eine gefährliche Bedrohung für den Weltfrieden und die Weltsicherheit dar. Ich verurteile vehement diese leichtsinnige und unüberlegte Aktion. Die Aktionen Nordkoreas gefährden die Bewohner Nordostasiens, sie stellen eine himmelschreiende Verletzung des Völkerrechts dar und widersprechen Verpflichtungen, die Nordkorea bereits zuvor eingegangen ist. Jetzt ist es die Aufgabe der USA und der internationalen Gemeinschaft als Antwort darauf entsprechende Maßnahmen zu setzen.“ (Russland heute, 25. 5. 2009) Und der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates erklärte auf der in Singapur abgehaltenen Konferenz für Sicherheit und Verteidigung: „Die USA werden ein atomar gerüstetes Nordkorea nicht akzeptieren.“ Er warnte auch vor einem atomaren Wettrüsten und sagte: „Die USA werden nicht untätig zusehen, wie Nordkorea seine Fähigkeiten zur Zerstörung jedes ihm beliebenden Zieles weiterentwickelt.“ Er fügte hinzu: „Die Obama-Administration wird Pjöngjang für jede Weitergabe von Atomtechnologie voll verantwortlich machen, sei es an Staaten oder inoffiziellen Organisationen, da dies eine gefährliche Bedrohung für die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten darstellt.“ (Al-Jazeera, 30. 5. 2009)

Mit diesen Erklärungen drückten die USA ihren Ärger über das Verhalten Nordkoreas aus. Sie wiesen darauf hin, dass Nordkorea den Weltfrieden und insbesondere die Region Nordostasiens bedrohe und dass sie – d. h. die USA – Maßnahmen gegen Nordkorea ergreifen würden. Auch warnten die USA Nordkorea davor, Atomtechnologie an andere Staaten oder nichtoffizielle Organisationen weiterzugeben.

Die Geschichte der USA mit dem nordkoreanischen Atomprogamm hat nicht erst gestern begonnen. Vielmehr begann sie im Jahr 1986, als die USA von Nordkorea Informationen und Details über sein Atomprogramm forderten, Nordkorea die Forderung ablehnte und die Informationen stattdessen an China übergab. Die Dokumente hatten einen Umfang von 19.000 Seiten. Im Jahr 1994 kam es zu einem Abkommen zwischen Nordkorea und den Vereinigten Staaten, als die USA damit drohten, den nordkoreanischen Atomreaktor zu zerstören. Dieses Abkommen besagt, dass Nordkorea sein Atomprogramm einstellen und seinen Atomreaktor in Yongbyon, in dem es 1987 seine Nuklearaktivitäten begonnen hatte, schließen soll. Im Gegenzug würden die USA es mit zwei Leichtwasserreaktoren ausstatten.

Doch die USA hielten ihre Versprechen nicht ein. Und so nahm Nordkorea sein Atomprogramm wieder auf, schaltete den Atomreaktor in Yongbyon wieder ein und verwies die internationalen Inspektoren des Landes. Dies geschah Ende 2002, als die USA Nordkorea beschuldigten, ein geheimes Atomprogramm zu besitzen, und Nordkorea den USA vorwarf, ihr Versprechen, zwei Leichtwasserreaktoren zu liefern, nicht eingehalten zu haben. Im Oktober 2006 gab Nordkorea schließlich bekannt, dass es seinen ersten Atomtest durchgeführt habe. Und im Februar 2007 wurde im Rahmen des Sechser-Gesprächs, das neben Nordkorea auch die USA, Russland, China, Japan und Südkorea umfasst, beschlossen, den Atomreaktor in Yongbyon zu schließen. Im Gegenzug würde Nordkorea Unterstützung für seine Versorgung mit Brennstoff erhalten. Die USA erklärten Nordkorea 25 Millionen Dollar zur Verfügung stellen zu wollen. Nachdem diese Gelder an Nordkorea überwiesen wurden, erlaubte man den internationalen Inspektoren und Beobachtern die Einreise und der Atomreaktor in Yongbyon wurde geschlossen.

Im Juli 2008 übergab Nordkorea seinen Atombericht, und zwar im Rahmen eines Deals, der seinen Verzicht auf das Atomprogramm vorsah. Die Verhandlungen wurden jedoch Ende vergangenen Jahres eingestellt, nachdem es zu Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Forderung kam, dass man sicherstellen wolle, ob Nordkorea seine bei früheren Verträgen eingegangenen Verpflichtungen auch eingehalten habe. Zu Beginn dieses Jahres gab Nordkorea seinen Rückzug aus den Sechser-Gesprächen und die neuerliche Inbetriebnahme seines Atomreaktors in Yongbyon bekannt, nachdem es die internationalen Inspektoren des Landes verwiesen und mit der Wiederaufnahme seiner Atomtests gedroht hatte. Und Anfang April führte es einen Test mit einer Langstreckenrakete durch, die – wie bekanntgegeben wurde - einen Satelliten transportierte. Daraufhin fasste der Sicherheitsrat einen Beschluss, der den Test verurteilte und die Implementierung der bis dato ausgesetzten Strafsanktionen forderte. Diese waren im Jahr 2006 nach dem ersten nordkoreanischen Atomtest mit der Sicherheitsratsresolution 1718 beschlossen worden. Und am 14. 4. 2009, einen Tag nach Ergehen der neuen Sicherheitsratsresolution, verkündete Nordkorea erneut, dass es sich aus den Sechser-Gesprächen zurückgezogen habe, diese Gespräche keinen Sinn hätten und es an keine Vereinbarung gebunden sei, die bei diesen Gesprächen ausgemacht wurde. Am 25. 5. 2009 verkündete Pjöngjang schließlich, dass es den zweiten Atomtest erfolgreich durchgeführt habe.

Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass die USA danach trachteten, Nordkorea hinters Licht zu führen. Sie wollten, dass es sein Atomprogramm für nichts, außer für leere, verspätet eingehaltene, zurückgezogene oder teilweise zurückgezogene Versprechen aufgibt. Nordkorea war das allerdings bewusst. So nahm es sein Atomprogramm immer wieder auf, wenn es bei den USA ein Herumlavieren feststellte. Es scheint, dass die USA in dieser Frage nicht entschlossen sind und nicht bereit jede Konsequenz zu tragen. Vielleicht hindert sie daran die Tatsache, dass sie ihre Beziehungen zu China nicht anspannen und deren Abbruch nicht riskieren möchten, da sie mit China ein größeres Interesse verbindet als der nordkoreanische Atomreaktor.

Darüber hinaus geben das amerikanische Verhalten, ihre Erklärungen sowie die diesbezüglichen Reaktionen aus den Ländern der Region zu verstehen, dass die USA noch andere Ziele verfolgen. Eines davon ist die Stärkung der amerikanischen Präsenz in der Region, damit deren Kontrolle fest in amerikanischen Händen bleibt. Indem die Länder dieser Gegend weiterhin den amerikanischen Schutz benötigen, können die USA sie erpressen und ausnützen, insbesondere da sie eine gewaltige militärische Präsenz in dem Gebiet haben. So beträgt die Größe der dortigen amerikanischen Streitkräfte 250.000 Mann. Deshalb sehen wir auch, dass der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates am Rande der in Singapur stattgefundenen Sicherheitskonferenz ein gesondertes Treffen mit seinem südkoreanischen und japanischen Amtskollegen abhielt und danach erklärte: „Es ist wichtig, dass Südkorea, Japan, die USA und die gesamte Welt zusammenarbeiten, damit diesem Problem mehrere Seiten entgegentreten.“ (Radio Sawa, 31. 5. 2009) Dies bedeutet, dass die USA dieses Problem ausnützen möchten, um ihre Herrschaft über die Region auszubreiten und ihren Weltführungsanspruch zu unterstreichen.

Gleichzeitig soll auch China mit der Möglichkeit eingeschüchtert werden, dass die USA jederzeit einen Krieg mit seinem Nachbarn und Verbündeten Nordkorea beginnen können. Mit anderen Worten versuchen die USA mit diesem Problem China zu erpressen, um ihm Zugeständnisse und Erleichterungen im Handels-, Wirtschafts- und Finanzsektor sowie in der mit der Region verbundenen Politik zu entreißen. Auch versuchen sie damit den Anschluss Taiwans an China zu verhindern oder zumindest zu verzögern und China weiterhin im Zangengriff zu halten.  Mit dem Vorwand der nordkoreanischen Atomwaffen und Raketen wollen die USA in Kriegsposition an den Grenzen Chinas verweilen. Im Falle der Vereinigten Staaten ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Sie rechtfertigen sogar die Aufstellung von Raketen in Polen und eines Radarschilds in Tschechien - die allesamt gegen Russland gerichtet sind - mit dem Argument der nordkoreanischen und auch der iranischen Raketen.

3. Was den Standpunkt Chinas anlangt, so hat es nach dem letzten nordkoreanischen Atomtest zu Ruhe und Diplomatie aufgerufen. Der chinesische Generalstabchef, Generalleutnant Ma Xiao Tian, appellierte auf der Sicherheitskonferenz in Singapur im Hinblick auf Nordkorea „eine ruhige und bedachte Vorgehensweise“ zu wählen. Auch rief er dazu auf, alle Massenvernichtungswaffen aus der Region zu entfernen. (Al-Jazeera, 30. 5. 2009) Dies belegt, dass China einen Schlag gegen Nordkorea ablehnt. Auch versucht China aus der Krise Kapital zu schlagen, wie es auch die USA versuchen. So benützt es seine Unterstützung Nordkoreas als Trumpfkarte bei der Taiwanfrage, um die Insel zu annektieren. Insofern setzt China dies als Druckmittel gegen die USA ein, damit die USA einer Annektierung zustimmen. China versucht in gleicher Weise wie die USA, das Problem Nordkorea im Hinblick auf Taiwan zu instrumentalisieren, allerdings in entgegengesetzter Richtung.

4. Südkorea will hingegen vermeiden, dass die Dinge weiter eskalieren und ein Krieg auf seine Kosten ausbricht. So erklärte der südkoreanische Verteidigungsminister Lee Sang auf der erwähnten Konferenz, sein Land werde sich darum bemühen, die Krise mit Nordkorea im Rahmen der Sechser-Gespräche und der internationalen Gemeinschaft zu lösen. (selbe Quelle). Südkorea hat sich stets um eine Aussöhnung mit Nordkorea bemüht. So wurden im Jahr 2000 und 2007 zwei Gipfeltreffen zwischen den Staatschefs Süd- und Nordkoreas abgehalten, die beide auf die Initiative Südkoreas zurückgingen.

5. Was den russischen Standpunkt anlangt, so gab das Medienbüro des russischen Präsidenten nach einem Telefongespräch zwischen dem russischen Präsidenten Medwedew und dem japanischen Premierminister Taro Aso folgende Erklärung ab: „Beide Seiten waren sich darüber einig, dass dieses Verhalten, das eine Herausforderung der internationalen Sicherheitsordnung darstellt, die strengste Reaktion erfordert.“ (Russland heute, 30. 5. 2009) Zuvor hatte bereits der russische Vizeaußenminister Alexej Borodawkin an Pjöngjang appelliert, auf den Abschuss der ballistischen Rakete zu verzichten. (Russland heute, 27. 3. 2009). Dies weist darauf hin, dass der russische Standpunkt gegenüber Nordkorea sich vom chinesischen unterscheidet und dass Russland mit seiner Position gute Beziehungen zu Japan anstrebt. Russland hat kein Interesse daran, dass Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm weiterentwickelt. Es möchte auch nicht, dass die USA die Krise als Mittel benützen, um ihre Kontrolle über die Region zu festigen. Vielmehr möchte es Nordkorea ohne Unterbrechung im Verhandlungskreislauf der Sechser-Gespräche halten, bis eine Lösung gefunden wird, die zur Einstellung des nordkoreanischen Raketen- und Atomprogramms führt und die so genannte Koreafrage damit beendet wird.

6. Dass die derzeitige Eskalation der Ereignisse zu einem Krieg führt, mit anderen Worten, dass die USA einen Militärschlag gegen die nordkoreanischen Atomanlagen durchführen, ist abwegig – zumindest in absehbarer Zukunft. So haben die USA nicht zu diesem Mittel gegriffen, als Nordkorea noch keine Atombombe und keine ballistischen Raketen besaß. Und das zu einer Zeit, als die USA wussten, dass Nordkorea darauf hinarbeitet. Die USA haben sich also erwartet, dass Nordkorea die Nuklearkapazität erreichen würde, führten aber trotzdem keinen Militärschlag durch. Wie sollen sie dann jetzt einen Krieg gegen Nordkorea in Gang setzen, wo es nun tatsächlich im Besitz von Atomwaffen ist? Insbesondere da Nordkorea nach wie vor starke Beziehungen zu China unterhält.

Daher ist die Möglichkeit, dass die USA einen Krieg gegen Nordkorea beginnen - wo Nordkorea nun die Nuklearkapazität erreicht hat -, eher gering und unwahrscheinlich - zumindest für absehbare Zeit. Zu erwarten ist vielmehr, dass die USA im Versuch Nordkorea einzugrenzen, zu anderen Maßnahmen greifen werden, und zwar zu Verhandlungen und Verlockungen und der Annäherung Südkoreas an Nordkorea mit den verschiedensten Mitteln. Dadurch wollen die USA Nordkorea durchdringen und Verbindungskanäle zu einigen Helfern im Inneren aufbauen, bis sich schließlich die dortige Führung verändert und moderatere Kräfte an die Macht gelangen, welche sich mit den USA arrangieren und ihre Angebote bzw. Verlockungen annehmen. Dies ist insbesondere deswegen naheliegend, da Nordkorea unter einer argen Wirtschaftskrise und einer würgenden Isolation leidet. Auch wenn das alles in seinem Resultat nicht sicher ist, ist doch zu erwarten, dass die USA sich nach Kräften dafür einsetzen werden.

7. Jumada Ath-Thani 1430 n. H.

   
31.05.2009
   



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